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Bewegungszeit von Kindern und Jugendlichen ist gesunken

Langsam werden die Kollateralschäden des Lockdowns bei den Kindern und Jugendlichen sichtbar. Eine Meldung hat uns und unseren Coach Jürgen Hingsen tief betroffen. Nur durchschnittlich 75 Minuten am Tag betrug die Bewegungszeit von Kindern und Jugendlichen im zweiten pandemiebedingten Lockdown seit Dezember 2020. Damit lag sie deutlich unter den Werten aus dem Frühjahr letzten Jahres, als alle Sportvereine und Freizeitangebote zum ersten Mal wegen der Corona-Pandemie schließen mussten. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle Auswertung einer Langfrist-Studie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), für die Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren befragt wurden. Vor einem Jahr zog das Team noch eine positive Gesamtbilanz: Die Kinder und Jugendlichen hatten sich alternative Bewegungsmöglichkeiten im Alltag gesucht – im Frühjahr 2020 waren es noch 144 Minuten Bewegungszeit am Tag. Zusätzlich habe sich die Zeit, die die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit vor dem Bildschirm verbrächten, um 28 Minuten auf nun insgesamt 222 Minuten am Tag erhöht.

Dagegen muss aus unserer Sicht etwas getan werden und Sie, liebe Großeltern, können mithelfen.

Jürgen Hingsen: „Sportliches Fördern ist immer gut“

Jürgen Hingsen ist ehemaliger Leistungssportler und Opa. Dass er Leistungssportler wurde, verdankt er auch seinem Vater, der ihn immer unterstützt und gefördert hat. Obwohl seine Karriere als aktiver Leistungssportler schon vorbei ist, macht er täglich Sportübungen. Er verrät uns, wie auch andere Großeltern ein Sportprogramm im stressigen Alltag integrieren können.

Herr Hingsen, erinnern Sie sich noch an Ihre eigenen Großeltern?

Jürgen Hingsen: Ja, ich hatte zwei Grosseltern, die mich in meiner Kindheit begleitet haben. Vor allem an Opa Heinrich, mit dem ich in den Rheinwiesen Drachen steigen ließ und Flugzeuge bastelte.

Als ehemaliger Leistungssportler – welche Erfahrungen geben Sie ihren Enkelkindern mit auf den Weg?

Man sollte kein Kind zwingen Leistungssport zu betreiben. Sportliches Fördern ist immer gut, egal ob es Laufen, Schwimmen oder Skifahren ist. Wichtig ist zu erkennen, inwieweit ein Kind sich gerne bewegt und auch Ziele für sich erkennen kann.

Was würden Sie Großeltern raten, die sich fit halten wollen, aber aufgrund eigener Berufstätigkeit, der Pflege der Eltern oder dem Aufpassen auf die Enkelkinder wenig Zeit haben?

Es gibt ein von mir und dem FPZ entwickeltes Multi-Fit-Programm, was man zuhause vor dem Fernseher machen kann. Dazu muss man sich zum FPZ Online-Kurs anmelden. Das Programm geht über zehn Wochen und ist sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene ideal umzusetzen und wird von den meisten Krankenkassen übernommen.
Außerdem sollte man täglich zehn Minuten ein paar Übungen machen, zum Beispiel Liegestütze und Wirbelsäulengymnastik. Man kann sich die entsprechenden Übungen auch bei YouTube ansehen.

Welche Sportart ist die richtige?

Grundsätzlich gibt es für Großeltern keine Tabusportart. Suchen Sie sich vor allem das aus, was Ihnen und ihrem Enkelkind gefallen könnte. Je nach Alter des Kindes gibt es verschiedene Möglichkeiten. Geeignete Sportarten für den Anfang, die noch dazu Rückenschmerzen vorbeugen, sind zum Beispiel:

Schwimmen als idealer Einstieg, um beim Sport mit den Enkeln in Schwung zu kommen. Der Wasserauftrieb schont die Gelenke und die Bewegung entlastet die Wirbelsäule. Beim Schwimmen wird außerdem die gesamte Körpermuskulatur trainiert. Wichtig ist die richtige Technik. Besonders rückenfreundlich sind Kraulen und Rückenschwimmen. Aber auch Brustschwimmen ist geeignet, sofern die Armarbeit dazu genutzt wird, über Wasser einzuatmen und unter Wasser auszuatmen. Lernen Sie gemeinsam mit Ihrem Enkelkind die richtige Technik. Sie können sich sicher gegenseitig unterstützen und korrigieren. Ist das Kind jünger und kann noch nicht schwimmen, sind Großeltern erfahrene Lehrer beim Schwimmen lernen. Und selbst wenn das noch nicht klappt und es ohne Schwimmhilfen noch nicht geht, sorgt der gemeinsame Aufenthalt im Schwimmbad auf jeden Fall für Bewegung.

Radfahren ist für jedes Lebensalter geeignet und gut für den Rücken, wenn das Rad für den Fahrer richtig eingestellt ist. Vor allem die unteren Rückenmuskeln werden durch das Fahrradfahren trainiert. Damit keine Überlastungen oder Fehlhaltungen entstehen, müssen die Rahmengröße des Fahrrades, die Sattel- und Lenkerhöhe sowie der Abstand zwischen Sitz und Lenker stimmen. Beim Fahren dürfen keine Schmerzen, Druck- oder Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen entstehen. Zur individuellen Einstellung lassen Sie sich optimalerweise in einem Fahrradfachgeschäft beraten. Schon die kleinsten Enkel können so mit ihren Großeltern aktiv werden, selbst wenn sie das Gleichgewicht noch nicht halten können. Hier können Laufräder oder Fahrräder mit Stützrädern als Einstieg genutzt werden.

Nordic Walking ist im Vergleich zum Joggen gelenk- und rückenschonender, da keine schnellen und harten Landungen abgefedert werden müssen. Zusätzlich werden bei korrekter Stockhaltung die Arm- und Rückenmuskeln trainiert und die Ausdauer langsam gesteigert. Entgegen der weitläufigen Meinung, ist dieser Sport auch mit den Enkeln möglich und für Kinder ab ca. drei Jahren geeignet. Zu Beginn ist es wichtig, den richtigen Umgang mit den Stöcken zu lernen. Hier ist es ratsam, sich sowohl beim Kauf als auch bei der Ausübung selbst, fachmännische Hilfe zu holen.

Sportvereine und Sportabzeichen: Wer seine Enkelkinder nicht für die genannten Sportarten begeistern kann, sollte sich auch in Sportvereinen der Umgebung kundig machen. Oft gibt es Angebote für die ganze Familie – Sommer wie Winter. Vielleicht dienen auch die Olympischen Spiele als Inspirationsquelle für eine bestimmte Disziplin, mit der sich auch Ihr Enkelkind anfreunden könnte. Wie wäre es zum Beispiel, beim Sport mit den Enkeln gemeinsam für ein Sportabzeichen zu üben? Jeder hat dabei altersgerechte Zielvorgaben zu erfüllen, die Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination schulen. Selbst, wenn Sie die Prüfung am Ende nicht ablegen sollten, bereitet das gemeinschaftliche Training Freude und Verbundenheit mit Ihrem Enkelkind. Und darauf kommt es letztlich an – nicht auf Höchstleistungen.

Die eigene Begeisterung weitergeben: Enkel befinden sich oft in einer Ausprobier- und Testphase. Heißt: Sowohl im Alltag als auch in der Freizeit testet der Nachwuchs seine Grenzen. Und will herausfinden, was alles Spaß macht. Dabei können Kinder auch schon einmal über die Stränge schlagen. Gerade das Alter ab 3 Jahre bis zum Schulwechsel mit der 4. Klasse/5. Klasse ist eine Phase, in welcher Großeltern aktiv auf die Vorlieben ihrer Enkelkinder Einfluss nehmen können.

Soll heißen, in diesem Zeitrahmen lassen sich Kinder für Sport begeistern und können mit verschiedenen Sportarten in Berührung gebracht werden.
Beispiel Fußball: Großväter bleiben in ihrem Verein – sei es nun ein Bundes- oder Regionalligist – oftmals auch im Alter verwurzelt. Oft hat man einen Teil der Vereinsgeschichte miterlebt sowie die Entwicklung des Fußballs und der einzelnen Wettbewerbe. Beispiele für Letzteres sind auch die Umwandlung des Landesmeisterpokals in die Champions League oder die Abschaffung des Pokalsieger-Cups.
Warum also nicht einfach die Enkelkinder mit zum nächsten Spiel nehmen und Stadionatmosphäre schnuppern lassen? Eventuell springt der Funke über und ein Fußballverein erhält einen neuen Fan fürs Leben. Möglichkeiten bieten sich genug. Selbst für Exoten wie Football oder Turnen ist der Nachwuchs oft empfänglich. Und geht gern mit den Großeltern zum Sport.

Spielt der Erfolg eine Rolle?

Sportlicher Erfolg ist wichtig! Klar ist Freude über Spiele, die der eigene Verein gewinnt oder die Spieler, denen die Daumen gehalten werden, wichtig. Für das gemeinsame Erlebnis von Großeltern und Enkeln hat diese Form des Erfolgs vordergründig allerdings keine Bedeutung.

Der Grund ist recht simpel: Es geht in diesem Moment nicht ums Gewinnen. Vielmehr ist der Weg von diesem Blickwinkel aus betrachtet das Ziel. Im Fokus stehen:

  1. die Freude am Sport
  2. gemeinsam etwas Erleben
  3. Zeit miteinander verbringen.

Dass die Heimmannschaft gewonnen hat, ist am Ende der Bonus oder das Sahnehäubchen obendrauf.

eSports: Für große Enkel und junggebliebene Großeltern: Gemeinsam Sport treiben – hier ist mit der Pubertät der Enkel Schluss. Internet und schnelle PCs könnten daran etwas ändern. Die Rede ist von eSports. Auf den ersten Blick kein Pflaster für Großeltern, macht die DreamHack Schweden (eine Messe für Gamer) vor, was anders geht. 2017 sorgte ein Team für besonders viel Aufmerksamkeit – die Silver Snipers. Das Team besteht aus Senioren, denen man Erfolge bei CS:GO nicht wirklich zutraut. Und doch gelingt den Silver Snipers immer wieder, Spiele gegen deutlich jüngere Gamer zu gewinnen. Vielleicht bietet sich beim eSports am Ende ja doch die Gelegenheit, dass Enkel und Großeltern zusammen „zocken“.

Fazit: Großeltern und Enkel – auch beim Sport ein Team

Sport hält fit – auch im Alter. Eine Aussage, die heute viele Mediziner unterschreiben. Großeltern sind zwar oft um die Schläfen etwas ergraut und haben meist ein anstrengendes Berufsleben hinter sich. Zum alten Eisen gehören Oma und Opa trotzdem noch lange nicht. Damit auf lange Sicht die Lust nicht verloren geht und Großeltern Kinder für Sport begeistern können, müssen lediglich ein paar Regeln beachtet werden. Wert ist unter anderem darauf zu legen, dass der Sport auch den Enkeln gefällt. Ein weiterer Punkt betrifft das Einverständnis der Eltern. Die eigenen Kinder haben immer das letzte Wort, wenn es um die Enkel geht. Sich darüber hinwegsetzen zu wollen, ist in jedem Fall ein absolutes No-Go. Und natürlich zählt auch die persönliche Fitness. Sport kann im Alter auch dazu beitragen, die geistige Gesundheit zu bewahren. Und umgekehrt können Großeltern auch viel dazu beitragen, dass die Enkelkinder fit und gesund sind!

Statement von Frau Blessing-Kapelke vom Deutschen Olympischen Sportbund DOSB

„Großeltern haben die Zeit, Sportarten auszuprobieren, die Eltern aufgrund ihrer Berufstätigkeit eben leider oft nicht haben.“ Das meint auch Ute Blessing-Kapelke, die im DOSB (Deutscher Olympischer Sportbund) zuständig ist für den Bereich „Sport der Generationen“. „Ich habe zwei erwachsene Töchter und die haben es sehr genossen, dass die Großeltern nicht nur Zeit hatten, sondern sich diese auch für sie genommen haben. Meine Mutter hat mit den Kindern zum Beispiel die ersten Übungen im Wasser gemacht. Nun sind die Mädels heute keine Leistungsschwimmer im Sinne von Olympia (lacht), aber sie schwimmen sehr gerne. Großeltern sehen mit ihrer Lebenserfahrung sehr viel und können die eigene Begeisterung – für welche Sportart auch immer – auf die Enkel übertragen.“

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