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Dialog der Generationen: Ein Interview über Wahlverwandtschaften und mehr

Volker Amrhein

Die Debatte um die Auswirkungen des demographischen Wandels ist allgegenwärtig. Denn ob wir wollen oder nicht: Weniger Junge werden künftig mit immer mehr Alten länger zusammen leben. Das Netzwerk „Dialog der Generationen“, das seit einer Dekade vom Bundesminsterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, drückt es so aus: Die Bevölkerungsentwicklung wird unser Leben in Zukunft entscheidend verändern.

Dass damit die generationsverbindende Arbeit immer wichtiger wird, ist vielen noch nicht präsent – fristete sie doch bis Anfang der 90er Jahres ohnehin eine eher beiläufige und zufällige Beschäftigung weniger Gruppen und Akteure. grosseltern.de hat Volker Amrhein, den Leiter des Projektebüros „Dialog der Generationen“ gefragt, welche Projekte ganz besonders sind. Seine Antworten spiegeln die enorme Bedeutung eines Netzwerks, das vielfältige Anschlussmöglichkeiten in Regionen, Kommunen und Nachbarschaften ermöglicht.

Herr Amrhein, wie wichtig ist der Dialog der Generationen in Bezug auf Großeltern und Enkel?

Er ist ein wichtiger Bestandteil der generationenverbindenden Praxis, wenn auch der Schwerpunkt unserer Aktivitäten sich stärker auf außerfamiliale Beziehungen richtet(e). Die Bedeutung der Großeltern für die Enkelgeneration lässt sich aber sofort mit einem Blick auf Amerika belegen, wo es Förderprogramme und Institutionen für die sogenannten „Grandfamilies“ gibt, in denen Großeltern an Stelle der leiblichen Eltern ihre Enkelkinder großziehen. Allein in Montana sind das 6.600 Großelternpaare, die sich dieser Aufgabe widmen. Gründe dafür sind Krankheit, Tod, Abhängigkeit oder Trennung der Kindseltern.

Und in Deutschland?

In Deutschland spiegelt sich das Interesse der Enkelkinder an Familiengeschichten oder -traditionen etwa in den Beiträgen des Wettbewerbs „Video der Generationen“. In diesem Jahr sind zwei herausragende Filme zu nennen. Im einen Fall dokumentiert der junge Filmemacher Daniel Götz eine Fluchtgeschichte, die seine Großmutter und Großtante erlebten. Das Motiv für » „Der Hunger lief mit“ war das für ihn seltsame Verhalten seiner Großmutter, ihn ständig zu nötigen, auch ja genug zu essen… In » „Mein Großvater Wolfgang“ zeigt der Filmstudent Hannes Schilling einen Neuanfang im Leben seines 84-jährigen Großvaters. Der hat sich nach dem Tod der Großmutter neu verliebt und holt nun Erfahrungen nach, die, wie er sagt, andere Männer seiner Generation bereits 1968 gemacht haben.

Gibt es darüber hinaus Projekte, die besonders sind?

Ja, jene Projekte, die im Kontext unserer Netzwerkarbeit unsere besondere Aufmerksamkeit erhalten. Das sind Patenschaften, Mentoring oder Befriending-Ansätze. Also im Grunde „Wahlverwandtschaften“, die von Älteren gesucht werden, weil die eigenen Enkel zu weit entfernt leben, weil sie junge Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf beraten und stützen möchten oder Freundschaften eingehen wollen, die auf Gegenseitigkeit beruhen. Häufig ist es auch eine Mischung aus solchen Motivationen.

Welches sind aktuell die 3 wichtigsten Projekte, die Sie begleiten?

Es ist schwer, hier eine Prioritätenliste aufzumachen. Denn „wichtig“ sind Generationenprojekte nicht im Sinne eines Rankings, sondern mehr im Hinblick auf die unterschiedlichen Bedürfnisse, Bedingungen, Nöte oder Chancen, auf die sie reagieren. Die Begegnung von Kindern und älteren Menschen in Senioreneinrichtungen erscheint von außen als beiläufiges oder harmloses Projekt. Aus der Innenperspektive der Beteiligten, dem Erleben der Zuneigung oder Verhaltenheit, der Haltepunkte, die sich für den Alltag daraus ergeben, hat das eine enorme Bedeutung. Wichtig im Sinne von „drängend“ sind natürlich solche Ansätze, in denen soziale Missstände oder Versäumnisse thematisiert werden, auf die Projekte meist rascher reagieren, als das Kommunen oder staatliche Förderprogramme tun könnten. Und schließlich machen wir die Erfahrung, dass die bildende Kunst oder das Handwerk, die Literatur, der Film, neue Medien ein wunderbares Lern- und Experimentierfeld öffnen, in dem die Begegnung von Jung und Alt selten schöne Blüten treibt.

Was war persönlich Ihr schönstes Erlebnis im Dialog mit den Generationen?

Neben der Geburt unserer Kinder fällt mir die zufällige Begegnung mit einem sehr alten Mann ein, der sein Enkeltöchterchen an der Hand hielt. Das war auf einem hölzernen Bürgersteig, der sich in einer kleinen japanischen Stadt befand. Es hatte gerade aufgehört zu regnen und die Welt um uns her dampfte. Es war meine erste Reise in dieses Land. Ich bemerkte, daß das kleine Mädchen mich anblickte und dann mit ihrem Opa sprach. Der nickte ihr zu, worauf sie sich von ihm löste, auf mich zuging und mir schüchtern aber bestimmt die Hand gab. Es war ein Willkommensgruß in der Fremde, die sich dadurch unmittelbar verwandelte und einen Zugang öffnete, der zuvor unsichtbar war. Kindern gelingt das zum Glück noch leichter als uns Erwachsenen.

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Antworten!

Hier ein Überblick auf die von Volker Amrhein erwähnten Initiativen und Projekte:

www.childrenshome.org
www.montana.edu/wwwhd/grg.html
www.kipa-berlin.de/startseite/das-netzwerk und » www.zeitmitkindern.de
www.familienhandbuch.de/elternschaft/groselternschaft/die-rolle-der-groseltern-im-familienverband-und-ihre-alternativen
www.generationsbrücke-deutschland.de
www.amsoc.de oder » www.plant-for-the-planet.org/de
www.youngvoicetgd.de/index.php/aktivitaeten-projekte/bildung-und-spass
www.gwa-stpauli.de/index.php?id=120 oder » www.werteerleben.de oder

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