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Enkel im Urlaub verwöhnen: Wo liegt die Grenze für Großeltern?

Urlaub bei Oma und Opa

Papa und Mama etwas Elternzeit am Strand lassen und es sich zuhause mit den Enkeln gemütlich machen. Urlaub bei Oma und Opa: Das klingt nicht nur gut, sondern ist es auch. Doch die Grenze zwischen Urlaubs-Schmankerln und reinem Verwöhnen ist schmal.

Es gibt eine Art Faustregel, welche den meisten Großeltern unbekannt ist: das Verlangen, seine Enkel bei Besuchen mit allen nur denkbaren Annehmlichkeiten zu überhäufen, steigt proportional zur Distanz, die zwischen den Wohnorten liegt. Doch gerade, wenn die Kinder für eine längere Phase zu Besuch sind, also Urlaub bei Oma und Opa machen, sollten Großeltern äußerst vorsichtig agieren. Denn aus „gut gemeint“ kann auch schnell ziemlich negatives Verwöhnen werden. Doch wie findet man die „goldene Mitte“ und womit?

Woher der Drang zum Verwöhnen kommt

Doch bevor der Artikel mit handfesten Tipps aufwartet, soll erklärt werden, warum bei so vielen Großeltern ein, meist unbewusster, Drang besteht, ihren Enkelkindern nicht nur jeden Wunsch von den Augen abzulesen, sondern auch noch darüber hinaus zu gehen – eine Tatsache, die wir übrigens bereits in einer Umfrage deutlich bewiesen haben. Soviel schon vorweg: Es ist eine Kombination unterschiedlichster Faktoren:

  • Je größer die Wohndistanz, desto seltener Besuche. Viele Großeltern glauben daher, diesen Mangel aufholen zu können oder zu müssen.
  • Manche glauben, dass der Urlaub bei Oma und Opa ihnen alleine nicht ausreiche, weil es sich die Eltern vielleicht gerade im All-Inclusive-Hotel gutgehen lassen.
  • Großeltern, die einst zu ihren Kindern vergleichsweise streng waren und/oder ihnen nicht viel bieten konnten, wollen dies nun wiedergutmachen.

Das sind die drei Hauptpunkte. Wobei manchmal auch noch ein vierter hinzukommt: Konkurrenzdenken. Vor allem in Familien, in denen nur ein Großelternpaar weiter weg lebt, das andere hingegen relativ nah, sind die „Distanz-Opas und -Omas“, ebenfalls oft unbewusst, neidisch darauf, dass „die anderen“ mehr Enkelzeit bekommen. Über die Verwöhn-Schiene wird versucht, das vermeintlich vorhandene Ungleichgewicht in der Enkelgunst zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Problemstellung Urlaub

Die genannten Punkte können ein Problem sein. Besonders scharf treten sie jedoch beim Enkel-Urlaub hervor. Durch den Zeitfaktor. Kinder, die nur für ein Wochenende zu Besuch sind, können selbst durch starkes Verwöhnen kaum nachhaltig beeinflusst werden. Dazu ist einfach zu wenig Zeit vorhanden.

Wir halten also fest, es ist okay, bei Kurzbesuchen als Verwöhn-Großeltern aufzutreten.

Doch wenn der Besuch gleich mehrere Wochen andauert, sieht es anders aus. Denn je jünger ein Kind, desto schneller setzt ein Gewöhnungseffekt ein, der Fachmann spricht von der Habituation. Besonders natürlich dann, wenn es sich um schöne Dinge dreht. Doch auch das ist Habituation: Je länger der Großeltern-Spaß andauert, desto:

  • normaler wird er für die Kinder
  • nachhaltiger steigert sich ihre Erwartungshaltung an die Nach-Urlaubszeit

Am Ende bekommen die Eltern ein Kind zurück, das über mehrere Wochen mit Leckereien, Spaß und Geschenken überhäuft wurde, sich daran gewöhnt hat, buchstabengetreu verwöhnt ist und in der nun folgenden Zeit deshalb noch mehr leidet, als nur unter dem Urlaubsende.

So geht gutes Verwöhnen

Wir halten also fest, es ist okay, bei Kurzbesuchen als Verwöhn-Großeltern aufzutreten. Doch je länger der Besuch andauert, desto mehr sollte dies zurückgefahren werden. Schon damit jeder Tag für die Kids gleich-interessant ist, auch wenn er vielleicht kein Ausflugs-Highlight bietet, kein neuerworbenes Spielzeug.

Und unter diesen Gesichtspunkten bieten sich viele Strategien an:

  1. Der gesamte Urlaub sollte auch als „Ferien von den Eltern“ begriffen werden. Nicht im negativen Sinne. Die Tatsache, dass Kinder für eine begrenzte Zeit aus ihrem Alltag herausgenommen werden, ist schon für sich alleine ein großer Versüßungs-Faktor. Und hier haben tatsächlich die weiter weg lebenden Großeltern die besten Karten. Schon deshalb dürfen sie davon ausgehen, dass der Urlaub für das Kind etwas Besonderes ist – ohne weitere Zusätze. Dies sollte das Haupt-Geschenk sein und alles andere nur darauf aufbauen.
  2. Der kindliche Alltag ist naturgemäß mit einer Menge elterlicher Schranken und Regularien versehen. Das beginnt bei altersgemäßen Zubettgehzeiten, erstreckt sich über die Dauer, wie lange Fernsehen geschaut oder an der Videokonsole gespielt werden darf und endet bei typischen „Dazu bist du noch zu klein“-Verboten. Völlig über Bord werfen sollten Großeltern diese Regeln keinesfalls, das wäre weder im Sinne der Eltern noch des Nicht-Verwöhnens – schon heute ist das Netz voller diesbezüglicher Klagen von Eltern. Aber durchaus können die Regeln legerer ausgelegt werden. Der Zehnjährige, der am Wochenende zuhause um neun ins Bett geschickt wird, kann bei den Großeltern an lauen Sommerferienabenden durchaus auch bis halb zehn oder zehn aufbleiben. Bei Kids vom Kindergartenalter bis in die frühen Teenagerjahre fördern solche Maßnahmen auch das Gefühl des Erwachsenseins.
  3. Wenn es materielle Geschenke sein sollen, dann nach einem festen Schema. Also beispielsweise nur als Willkommens- oder Abschiedsgeschenk. Und ersteres sollte so ausgesucht werden, dass es den gesamten Urlaub über Spaß macht. Das kann für den Grundschüler der ferngesteuerte Bagger sein, mit dem er sich im Garten austobt. Und bei Teenagern kann auch einfach das vielleicht beste Jugendlichen-Geschenk verwendet werden, der Amazon-Gutschein. Spätestens ab 14 Jahren ändern sich die Interessen sowieso häufig so rasant, dass man selbst mit aktualisierten Infos ein falsches Geschenk machen kann. Der Gutschein sagt hingegen: „Ich akzeptiere, dass Du dein eigenes Leben leben willst, daher schenke ich dir etwas, das dich nicht in ein Schema zwingt“.
  4. Großeltern wuchsen in einer Zeit auf, in der das Leben sich von der heutigen Kinder- und Jugendlichenrealität erheblich unterschied. Vor allem unter der Prämisse, dass Erinnerungen eines der besten Geschenke sind, kann es für die Enkel deshalb unglaublich beeindruckend und ein nachhaltiges Geschenk sein, wenn die Großeltern ihnen allabendlich von ihrer Kindheit und „früher“ insgesamt erzählen. Doch nur, wenn dies nicht allgemein und oberflächlich geschieht, sondern so persönlich wie möglich, mit Anekdoten und vielleicht auch Fehltritten versehen.
Die vielleicht langlebigste Urlaubserinnerung ist die, die ein Kind in Momente zurückversetzt, in denen es etwas machen durfte, was die Eltern zuhause niemals erlaubt hätten.

Und, um Punkt 2 noch einmal kurz aufzugreifen: Die vielleicht langlebigste Urlaubserinnerung ist die, die ein Kind in Momente zurückversetzt, in denen es etwas machen durfte, was die Eltern zuhause niemals erlaubt hätten. Natürlich nichts Gefährliches. Sondern einfach irgendetwas, wozu Papa und Mama immer nein sagen. Was das ist, unterscheidet sich freilich von Familie zu Familie. Aber wenn Oma mit der 13-jährigen Enkelin beispielsweise zu dem Musikkonzert geht, für welches die Eltern trotz noch so vieler Bitten nicht bereitstanden, schenkt man etwas, das wahrscheinlich noch dann für ein Lächeln sorgt, wenn die Enkelin selbst schon Großmutter ist.

So bitte nicht

An diesem Punkt ist klar, dass es auch mannigfaltige Möglichkeiten des schlechten Verwöhnens gibt. Die größten Fauxpas aus dieser Liste sollen auch genannt werden:

  • Dem Kind alles schenken/kaufen, was es haben möchte
  • Jeden Urlaubstag mit so viel Action wie möglich vollpacken. Das führt nur zu Reizüberflutung
  • Sämtliche Ernährungsvorgaben missachten, die zuhause normalerweise gelten
  • Dinge erlauben, für die das Kind selbst bei großzügiger Auslegung wirklich noch zu jung ist (Actionfilme, blutige Videospiele usw.) und durch die es womöglich Schaden erleiden kann
  • Ihm Dinge von hohem ideologischen und/oder materiellem Wert schenken, obwohl das Kind das Geschenk (noch) in keinster Weise einschätzen und schätzen kann.

Generell also alles, was über das hinaus geht, was man für sich selbst als „mit Sinn und Verstand“ definieren würde. Als Leitlinie kann man sich an die eigene Elternzeit erinnern und sich fragen, was man damals geschenkt/erlaubt/durchgehen gelassen hätte. Etwas mehr Laissez-Faire und man ist auf einem guten Mittelweg angekommen.

Fazit

So verständlich es ist, dass Großeltern ihren Enkeln den Urlaubsbesuch so atemberaubend wie möglich machen wollen, so real ist es doch, dass dazu weder Action, noch regelfreie Anarchie noch große Geschenke vonnöten sind. Es braucht nur ein wenig Gespür und vor allem die Fähigkeit, dem Kind auf immaterieller Ebene ein Geschenk zu machen – und dazu reicht es manchmal schon, es einfach am Alltag der weit weg lebenden Großeltern teilhaben zu lassen.

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