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Verkleiden zu Karneval: Warum Kinder Kostüme so lieben

„Sobald der Vierjährige in sein Drachenkostüm geschlüpft ist, beginnt er, Feuer zu spucken und unheimlich zu sein. Sobald seine Zwillingsschwester das Prinzessinnen-Kostüm angezogen hat, IST sie eine Prinzessin…“ grosseltern.de-Gastautorin Cilly Holle hat passend zur 5. Jahreszeit darüber nachgedacht, warum das Verkleiden so viel Spaß bereitet.

Verkleiden, was bedeutet das eigentlich? Die Vorsilbe „ver“ hat in unserer Sprache keine eindeutige Bedeutung, sie kündigt aber in der Regel etwas an, das anders ist als sonst oder als gedacht oder aber einen Zustand, der sich in eine bestimmte Richtung entwickelt und verfestigt hat…

Die Vorsilbe „ver“ vor dem Verb „kleiden“ heißt also, dass man sich anders kleidet als sonst, oder auch anders als es dem Anlass gemäß wäre. Mit anderen Worten, wenn wir uns verkleiden, sehen wir zunächst einmal anders aus als sonst, und auch anders als erwartet. Das ist der gewollte Effekt der Verkleidung: anders auszusehen, verrückt zu sein, andere zu überraschen und zum Lachen zu bringen oder aber auch nicht erkannt zu werden.

In eine andere Rolle und Identität schlüpfen

Aber es ist nicht nur die optische Wirkung auf die anderen. Mit der Verkleidung schlüpfen wir auch in eine andere Rolle, in eine andere Identität und können neue Facetten unserer Persönlichkeit ausprobieren. Wir verhalten uns im Nonnenkostüm ganz anders als in einem Outfit zum Thema „Lack und Leder“… Das passiert mehr oder weniger automatisch, da wir unser Verhalten offensichtlich unserem Aussehen anpassen.

Und das hat bereits für Kleinkinder einen ganz besonderen Reiz. Sobald der 4-jährige in sein Drachenkostüm geschlüpft ist, beginnt er, Feuer zu spucken und unheimlich zu sein… Sobald seine Zwillingsschwester das Prinzessinnen-Kostüm angezogen hat, IST sie eine Prinzessin. Und die Prinzessin benimmt sich anders als die 4-jährige, die sie vor zwei Minuten noch gewesen ist und sie geht auch ganz anders mit dem Drachen um, der bis vor zwei Minuten noch ihr Bruder gewesen ist… Und zwar ohne, dass man ihnen erklären müsste, wie sich eine Prinzessin gegenüber einem Drachen verhält und vice versa. Das ist spannend, zu beobachten.

Traut sich das schüchterne Mädchen die Pippi Langstrumpf zu?

Und ebenfalls spannend ist die Wahl des Kostüms… Traut sich das schüchterne Mädchen, das sich im Alltag an alle Regeln hält und am Liebsten hinter der Mutter versteckt, sich als Pippi Langstrumpf zu verkleiden? Oder geht sie vielleicht doch lieber als Rotkäppchen oder als Laura? Vielleicht traut sie sich noch die Biene Maja zu? Oder geht sie doch lieber als Maus zum Fasching in den Kindergarten? Welche neuen Facetten möchte sie ausprobieren? Was traut sie sich zu und was (noch) nicht?

Natürlich denkt sie über diese Fragen nicht bewusst nach, sie entscheidet das ganz intuitiv, so wie sie sich eben gerade fühlt. Und das kann auch genau dazu führen, dass das von der Mutter in allerbester Absicht gekaufte Hexe Lilly Kostüm verschmäht und ganz einfach nicht angezogen wird, egal mit welchen Engelszungen die Mutter auf das Mädchen einredet.

Warum greift eine Mutter zum Hexe Lilly Kostüm?

Interessant ist in diesem Fall die Frage, warum die Mutter im Geschäft oder im Internetstore genau zu dem Hexe Lilly Kostüm gegriffen hat, und eben nicht zu dem süßen Mäusekostüm mit den niedlichen Öhrchen und dem langen Schwanz. Wollte sie, unbewusst, einmal ganz neue Facetten an ihrer Tochter entdecken? Oder sie gar ermutigen, etwas selbstbewusster aufzutreten und etwas „frecher“ zu sein? In der Hoffnung, dass vielleicht ein ganz klein wenig von der Rolle hängen bleibt, wenn das Kostüm wieder längst wieder in der Verkleidungskiste liegt und auf seinen nächsten Einsatz wartet…

Damit würde dann auch der zweite Aspekt der Vorsilbe „ver“ zum Tragen kommen…

Foto: Robert Eichinger  / pixelio.de 

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