Unterwegs ist man ja immer solange, bis man irgendwo angekommen ist… Das gilt im praktischen wie im übertragenen Sinne. Und damit ist schon vieles gesagt, findet unsere Expertin für Familienfragen Cilly Holle, deren Standpunkt ist: Auch unterwegs findet man nicht das, was man schon zu Hause nicht gefunden hat. Das zeige sich schon bei Kindern, die gern fragen: „Wohin fahren wir heute?“
„Manchmal ist man natürlich zielgerichtet von A nach B unterwegs, um in B etwas zu erledigen. Und danach fährt man wieder nach A zurück. Oder nach C. Das ist in der Regel unvermeidlich und sinnvoll. Manchmal ist man unterwegs, weil man die Landschaft, den Weg oder die Fahrt genießt bzw. bewusst genießen möchte. Hier gilt dann die Devise: „Der Weg ist das Ziel“. Das ist Genuss und dient der Lebensfreude und der Contemplation.
Manchmal ist man aber auch einfach nur unterwegs, um nicht zu Hause sein zu müssen. Oder weil man vermeintlich „da draußen“ etwas verpassen würde. Oder einem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt. Oder man nicht alleine sein kann. Oder irgendetwas einen raustreibt und ra(s)tlos macht. Oder, oder, oder…
Was „muss“ man eigentlich wirklich?
Das wirft weitere Fragen auf. Es gilt ja die Daumenregel, dass man nach 6-maligem „Warum“-Fragen auf den eigentlichen Kern kommt, auf den wahren Beweggrund eines Menschen. Das empfehle ich allen, die aus den o.g. Gründen meinen, unterwegs sein zu müssen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie nach sechsmal „warum“ fragen, zu dem Schluss kommen, dass sie auch unterwegs nicht das finden, was sie schon zu Hause nicht gefunden haben…
Und: was „muss“ man eigentlich wirklich? Dieses Wort wird sehr schnell verwendet. Aber haken Sie mal nach und denken ernsthaft darüber, was wir wirklich „müssen“, weil es gar keine andere Möglichkeit gibt. Wenn man alle Chancen in Betracht zieht, dann bleibt unter dem berühmten Strich nur noch sehr wenig übrig, das man wirklich „muss“…
Ein Tag im Schlafanzug – ohne Aufbruch, ohne Ziel
Beides zeigt sich schon bei Kindern, wie ich in meiner eigenen Familie bereits beobachten konnte. Eine beliebte Frage an den Wochenenden „Mami, wohin fahren wir heute?“, der enttäuschte Blick, wenn die Antwort lautet „wir bleiben ganz gemütlich zu Hause“. Und dann letzten Endes die Freude über einen gemütlichen Tag im Schlafanzug, ohne Aufbruch, ohne Ziel, ohne etwas zu müssen. Einfach das zu Hause, einander und die Freiheit, tun und lassen zu können, was immer man möchte, auskosten zu können. Auch einmal das kurz aufkeimende Gefühl von Langeweile auszuhalten. Lange nicht benutzte Spielsachen wieder zu entdecken, ein schönes Gespräch zu führen, das sich aus der Ruhe und Muße heraus ergibt, zu kuscheln, in den Tag zu träumen und es schön zu finden, nicht unterwegs sein zu müssen. Sondern angekommen zu sein…“
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