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"Bei der letzten Pandemie wurde alles vermasselt"

Ein Interview über den Grippevirus

Grippevirus

Soll man sich gegen Grippe impfen lassen oder nicht? Die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission ist eindeutig, und der Medizinische Mikrobiologe Prof. Dr. med Georg Peters ist es auch. grosseltern.de hat dem Spezialisten in einem Interview Fragen rund um das Thema Grippeimpfung gestellt. Wir wollten auch wissen, welche Gesundheitsvorkehrungen grundsätzlich ratsam sind.

Herr Prof. Peters, Sie beschäftigen sich am Institut für Medizinische Mikrobiologie u.a. mit dem Grippevirus und den Impfseren. Was genau sind die Aufgaben an Ihrem Institut?

Prof. Peters: Wir beschäftigen uns mit der virologischen Diagnostik des Grippeerregers. Das heißt wir diagnostizieren eine saisonale oder pandemische Grippe anhand von eingesandten Blutproben oder bestimmen die Antikörper im Blut bzw. den Impfstatus. Daneben bieten wir eine Impfsprechstunde für komplexe Fragestellungen wie bei Reisen in exotische Länder an.

Manchmal hört man, dass Menschen impfmüde sind. Betrifft das auch die Grippeschutzimpfungen oder läuft aus Ihrer Sicht Alles gut?

Prof. Peters: Zurzeit und gerade bei der Grippeimpfung trifft die Beschreibung Impfmüdigkeit definitiv zu. Bei der letzten Pandemie (Anmerkung der Redaktion: Gemeint ist die Pandemie mit dem „Influenza-A-Virus (H1N1) von 2009) wurde in dieser Beziehung insbesondere in Deutschland alles „vermasselt“.

Vermasselt? Wie meinen Sie das?

Prof. Peters: Die Bevölkerung hat überhaupt nicht mitbekommen, wie viele Schwangere und andere Menschen schwerst erkrankt waren. Dies hat bis heute negative Auswirkungen auf die Impfkampagnen der saisonalen Grippe. Das, was sich insbesondere die Deutschen leisten auch bei der Masernimpfung, ist schlimm, weil sie nicht nur die eigene Gesundheit sondern die Gesundheit anderer Menschen potentiell gefährden. Das betrifft auch das Personal in Gesundheitseinrichtungen. Patienten müssen darauf vertrauen und dürfen erwarten, dass das Personal geimpft ist und sie nicht über das Personal angesteckt werden. Alles andere ist höchst unprofessionell.

Sind Grippeimpfungen gefährlich?

Prof. Peters: Jeder medizinische Eingriff kann Nebenwirkungen haben, in ganz geringer Häufigkeit auch schwer wiegende. Die Risiken liegen aber weit unter dem, was wir als alltägliches Risiko wie Fahrradfahren in Kauf nehmen.

Univ.-Prof. Dr. med. G. Peters

Es gibt verschiedene Formen der Impfung? Schützen diese alle gleich gut vor einer Infektion?

Prof. Peters: Die Studienlage ist nicht ausreichend, um das eindeutig zu beantworten. Es ist wohl so, dass Impfstoffe mit einem Wirkungsverstärker (= fachlich Adjuvanz) denen ohne überlegen sind und dass die neuen Lebendimpfstoffe, die über die Nasenschleimhaut verabreicht werden, ebenfalls wirksamer sind. In England sollen alle Kinder mit dem Nasenimpfstoff geimpft werden.

Laut Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission sollen sich vor allem kleine Kinder, ältere Menschen und Menschen mit schwerwiegenden Grunderkrankungen impfen lassen. Bringt das überhaupt etwas für die Sandwichgenerationen, sich auch impfen zu lassen?

Prof. Peters: Wir Fachleute sagen ja. Die Empfehlungen schließen das auch nicht aus. Zu ergänzen sind noch die Schwangeren und Menschen, die beruflich bedingt viele Kontakte zu anderen Menschen haben wie z. B. Ärzte.

Sind Vogelgrippe und Schweinegrippe für den Menschen real gefährlich und nützt in diesem Zusammenhang die Grippeimpfung auch?

Prof. Peters: Es gibt meist keine Kreuzreaktivität zwischen unterschiedlichen Influenza-Subtypen. Diese werden fachlich danach eingeteilt, ob sie nur Tiere – wie Schweine oder Vögel – oder nur Menschen befallen. Das heißt, dass es in der Bevölkerung keine Grundimmunität gegen diese Subtypen gibt, die nur für Tiere gefährlich sind. Aktuell ist in China ein neuer Geflügelvirus aufgetreten, gegen den wir keine Immunität haben und gegen den auch die saisonale Grippeimpfung nicht hilft. Trotzdem oder gerade deswegen empfehlen wir die Grippeimpfung, um eine gefährliche Doppelinfektion zu vermeiden und um zu verhindern, dass beide Virentypen in einem Menschen aufeinander treffen.

Können Menschen, auch wenn sie nicht an der Influenza erkrankt sind, trotzdem die Keime weitergeben und somit andere Menschen anstecken?

Prof. Peters: Ein ganz klares „Ja“.

Was können Menschen an allgemeinen Maßnahmen machen, um einer Infektion vorzubeugen oder eine Ansteckung z.B. ihrer Enkel zu vermeiden?

Prof. Peters: Erstens Menschenaufläufe meiden, insbesondere in der Grippesaison. Zweitens: Gute Händehygiene. Dazu gehört, dass man in der Grippesaison möglichst die mitteleuropäischen Begrüßungsrituale mit Händeschütteln vermeidet. Drittens: Niemals mit der Hand zum Mund. Darüber hinaus sollte man, wenn man selbst oder sein Gegenüber immunsupprimiert (Anmerkung der Redaktion: verminderte Abwehr) ist, die Hände desinfizieren. Insgesamt ist auf Maßnahmen, die der Situation angemessene sind, zu achten. Wenn man selbst erkrankt ist, sollte man sich auch in der Familie möglichst absedieren, Abstand zu anderen Angehörigen halten.

Herr Prof. Peters, möchten Sie unseren Lesern noch eine Ihnen wichtige Botschaft mitgeben?

Prof. Peters: Wir Deutsche sollen endlich damit anfangen, eine rationale Risikobewertung durchzuführen und eine Impfung als etwas ganz Normales verstehen. Jede Zigarette, die geraucht wird, ist schlimmer.

Herr Prof. Peters, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Prof. Dr. med Georg Peters ist Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie der WWU Münster am UKM. Eine wichtige Aufgabe dieses Institutes ist die Prävention von Infektionskrankheiten in der Studentenausbildung, der Forschung und der Krankenversorgung zu vertreten.

Hierzu gehört auch eine spezielle Reiseimpfberatungsstelle.

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Ist eine Grippeimpfung ratsam?

Darüber hat sich grosseltern.de mit dem Direktor des Institutes für Medizinische Mikrobiologie der Universität Münster unterhalten. Ein Auszug:

grosseltern.de: Laut Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission sollen sich vor allem kleine Kinder, ältere Menschen und Menschen mit schwerwiegenden Grunderkrankungen impfen lassen. Bringt das überhaupt etwas für die Sandwichgenerationen, sich auch impfen zu lassen?

Prof. Peters: Wir Fachleute sagen ja. Die Empfehlungen schließen das auch nicht aus. Zu ergänzen sind noch die Schwangeren und Menschen, die beruflich bedingt viele Kontakte zu anderen Menschen haben wie z. B. Ärzte.

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