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Oma hält es nicht zu Hause – Reiselust mit 90

Reiselust kennt auch im Alter keine Grenzen

Mutter, Oma, Ur-Oma und eine fast unbändige Reiselust. Sie auch? Sogar alles zusammen? Dann ´müsssen` Sie den folgenden Text unserer Gastautorin Heidemarie Blankenstein lesen. Denn die Oma, von der sie berichtet, ist mittlerweile 90 Jahre alt und immer noch viel unterwegs. Zudem: Auch diese Oma schätzt die Mobilität über das Internet!

“Unsere Oma, inzwischen 90-jährige Ur-Oma, ist ein Kind der Moderne. Sie ist reiselustig.

Reiselust – das ist doch jene Triebfeder kultureller Betätigung, die uns Bewohner einer reichen Industrienation eint wie sonst nur das Fernsehen oder der Computer. Erstaunt lese ich, dass jährlich eine halbe Milliarde Menschen ins Anderswo getrieben werden. Ist es ein Wander-Gen, wie der englische Reise-Schriftsteller Bruce Chatwin zu wissen glaubte, oder sind es unerträgliche Zustände zu Hause?

Fotonachweis: Melanie Blankenstein
Fotonachweis: Melanie Blankenstein

Oma entzieht sich den Zwängen der Zeit durch Mobilität

Zu Hause ist unsere Oma allein. Ihr Mann starb vor vielen Jahren. Ich selbst, ihre Tochter, bin beruflich viel in der Welt unterwegs. So lebt sie mit ihrem Hund, der täglich mehrmals ausgeführt wird. Aber nicht nur der Hund hält sie auf Trab, auch ihr Garten, ihr Balkon. Es stimmt mich traurig, dass ich zwar mehrmals im Jahr, nicht aber jeden Tag diesen liebevoll gepflegten, blühenden Garten bewundern kann. Oma hat zwar sympathische Nachbarn, die oft für sie da sind, doch ihre Familie – die Kinder und Enkelkinder – ist meistens nicht dort, wo Oma wohnt. Diesen Zwängen der Zeit versucht sich Oma durch Mobilität zu entziehen.

Als sie 79 war, fuhr sie mit ihrem grünen Golf GTI noch weite Strecken, mehrere Hundert Kilometer am Stück waren kein Problem. Dabei war sie einmal kurz vor ihrem Ziel in Sekundenschlaf gefallen. Ihr grüner Golf war hin: Totalschaden bei einem Auffahrunfall. Sie selbst unverletzt – nur erschrocken.

Freundliche Mitreisende findet Oma im Zug immer

Da Oma Familienfeste ungern auslässt, macht sie sich auf den Weg – manchmal sogar spontan. Wie und womit? Das hängt natürlich vom Ziel ab. Zur Hochzeitsfeier des Enkels im Jahr 2010 in Mexiko ist sie mit uns zusammen mit Condor nach Cancun geflogen. Kein Problem.

Sind es Ziele in Deutschland, so muss sich unsere unternehmenslustige Ur-Oma der Deutschen Bahn anvertrauen, was nicht immer lustig ist. Das Umsteigen in Frankfurt/Main verlangt ihr sportliche Lauf-Leistungen ab, besonders, wenn das Gleis kurzfristig gewechselt wird und sie entweder die Ansage nicht gut versteht oder die Anzeigentafel nicht gut lesen kann. Dann ist sie auf freundliche Mitreisende angewiesen. Und die findet sie zum Glück immer.

Mit ganz anderen Fährnissen wird sie konfrontiert, wenn es heißt: „Wegen eines technischen Defekts endet der Zug hier, bitte warten sie auf einen anderen Zug, der in etwa einer Stunde eintrifft…“ Dann wartet diese zerbrechliche Person bei Wind und Kälte auf einem deutschen Bahnsteig – geduldig. Das ist ihr bisher nicht nur einmal passiert.

Die modernen Kommunikationsmittel schenken die Enkel

Die andere Form der Mobilität ist für Oma die Skype-Verbindung via Internet. Zum letzten Weihnachtsfest wurde sie von den Enkeln mit allen modernen Kommunikationsmitteln ausgestattet. Trotz ihrer sehr schwachen Sehkraft surft sie, betreibt also die Elektronik tapfer.

„Kinder, wenn ich Euch richtig umarmen oder mich an Euren Gesprächen beteiligen kann, Eure Nähe weiß, verzichte ich gern auf diese elektronischen Hilfsmittel…“, sagt sie beim Abschied und hat eine Träne in den müden Augen.”

Gastautorin Heidemarie Blankenstein, in Berlin geboren, ist seit 1990 als Freie Journalistin aktiv. Zu ihren bisherigen Lebensmittelpunkten zählten asiatische, afrikanische und europäische Hauptstädte: Von Madrid und vom Sultanat Oman aus berichtete sie beispielsweise für diverse Wochenzeitungen und Magazine. Mittlerweile schreibt sie von Berlin aus, während sich ihre Kinder und Enkelkinder seit fast zehn Jahren in Australien und Mexiko befinden.

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