Großelternzeit: Warum Corinna Pulst ein Jahr Elternzeit als Oma nimmt
Es ist schon eine ungewöhnliche Geschichte, vermutlich weil sie so selten ist. Corinna Pulst ist in Großelternzeit, um auf ihren knapp einjährigen Enkel Ben aufzupassen. Seit der Kleine auf der Welt ist, betreut sie ihn. Nicht aber als Tagesmutter, sondern offiziell in ihrer Großelternzeit. Wir haben mit Corinna gesprochen, was die Beweggründe für die Großelternzeit bei ihr waren.
Liebe Frau Pulst, würden Sie sich bitte einmal vorstellen?
Ich bin Corinna Pulst (42 Jahre), verheiratet und Mutter von zwei Töchtern (21 und 19). Seit Februar 2019 bin ich auch Oma, Oma von einem wunderschönen kleinen Jungen, meinem Enkel Ben. Der ist am 1. Februar 2019 geboren.
Warum haben Sie sich entschieden, das Jahr Elternzeit als Großelternzeit für sich zu nehmen?
Mit Beginn ihrer Schwangerschaft war meine kleine Tochter gerade erst 18 Jahre alt. Sie befand sich zu dem Zeitpunkt in einer schulischen Ausbildung zur Erzieherin. Das erste Ausbildungsjahr war fast geschafft. Dann im Juni 2018 erfuhren wir von der Schwangerschaft. Wir freuten uns sehr und nahmen sie in den Arm. Wir haben immer gesagt, egal was ist, wir unterstützen immer unsere Kinder.
Im Februar 2019 war Ben geboren und somit stellte sich die Frage, wann die Ausbildung fortgesetzt wird. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Mit Beginn des neuen Schuljahres 2019 oder noch eins später 2020.
Bei der ersten Möglichkeit wäre Ben gerade sechs Monate gewesen, er hätte noch nicht gesessen, nicht gekrabbelt. Es war für uns keine Option, ihn in dem Alter schon in eine Kita zu geben.
Bei der zweiten Möglichkeit hätte sich die Ausbildung meiner Tochter nur verlängert.
Irgendwann fasste ich den Entschluss, dass ich Zuhause bleibe. Ich googelte und da stand dann Großelternzeit. Ich hatte das vorher noch nie gehört. Für meinen Mann und mich stand fest, dass ich es machen würde, wenn unsere Tochter das möchte.
Was hat Ihr Arbeitgeber gesagt, als Sie ihm offenbarten, dass Sie in Großelternzeit gehen?
Als es für uns als Familie feststand, dass dies unser Weg sein wird, informierte ich schon mündlich meinen Arbeitgeber. Er war sehr überrascht, als ich sagte: “Ich gehe ab 15.8.19 in Großelternzeit.” Seine Reaktion zeigte deutlich, dass dieser Weg doch sehr ungewöhnlich und unbekannt ist. Im Kollegenkreis fanden es alle cool.
Voraussetzungen für die Großelternzeit
Großeltern haben seit dem 1. Januar 2009 einen gesetzlichen Anspruch auf eine Freistellung von bis zu drei Jahren, wenn ein Elternteil minderjährig ist und die Schule besucht oder eine Ausbildung macht.
Der Enkel muss aber im Haushalt der Großeltern leben.
Einen finanziellen Ausgleich für die Großeltern gibt es nicht. Das heißt, in dieser Zeit wird kein Einkommen gezahlt. Es gibt aber die Möglichkeit, das Elterngeld auf die Großeltern zu übertragen.
Etwa drei Monate vor Beginn der Großelternzeit musste ich noch einen schriftlichen Antrag in der Firma abgeben. Da es gesetzliche Vorgaben gibt, musste ich auch noch Dokumente vorlegen: Geburtsurkunde meiner Tochter, ihre Schulbescheinigung und Ausweiskopien. Denn Voraussetzung für die Großelternzeit ist, dass Mutter des Kindes im Elternhaus wohnt und die Ausbildung vor dem 18. Geburtstag beginnen hat. Vom Betrieb bekam ich eine schriftliche Bestätigung. Somit besteht wohl auch der gesetzliche Kündigungsschutz.
Wie betreuen Sie Ben?
Ich betreue Ben von Montag bis Freitag. Montag bis Mittwoch von 7 bis 15.15 Uhr. Donnerstag und Freitag bin ich ab 5.30 Uhr für ihn da. Am Anfang war es sehr ungewohnt und die acht bis neun Stunden schienen unendlich lang. Aber nach kurzer Zeit hatten wir einen Rhythmus und irgendwie vergeht die Zeit nun richtig schnell, fast zu schnell.
Was ist das besondere an den Tagen mit Ben?
Das Schönste ist, wenn ich in den Augen von Ben und seiner Mama die Freude sehe, wenn sie sich am Nachmittag wiedersehen.
Fiel es Ihnen schwer, nach den eigenen Kinder noch mal so ein kleines Kind zu betreuen?
Die Zeit mit Ben genieße ich total, ich bin als Oma total entspannt und ich kann im Haushalt auch mal was liegen lassen. Das stört mich nicht, dann wird es eben am Nachmittag gemacht oder alle helfen.
Wenn ich sehe, wie schnell dieses erste Jahr vergangen ist, finde ich, haben wir es als Familie super gemeistert. Ben ist so aufgeschlossen und fröhlich. Er kann am Morgen ausschlafen und ich kann individuell auf seine Bedürfnisse eingehen. Und auch mir tut es gut. Jeden Tag gehen wir spazieren, ich erkläre Ben alles, er hört so aufmerksam zu und man nimmt seine Umwelt wieder viel mehr wahr, wenn man so ein kleines Kind um sich hat.
Ich finde ja auch, dass es wichtig ist, das ein Baby mindestens ein Jahr von Mama betreut wird. Umso stolzer sind wir auf unsere Tochter, die für ihre Zukunft einen Abschluss anstrebt. Die schulischen Leistungen sind sehr gut und das bestätigt uns auch als Eltern, dass es die richtige Entscheidung war. Für unsere Tochter und Ben.
Was ist der Nachteil an der Großelternzeit?
Der einzige Nachteil für mich ist, dass ich in dieser Zeit nicht rentenversichert bin. Meine Tochter wollte die Erziehungszeit auf mich übertragen lassen. Der Antrag wurde abgelehnt. Um Erziehungszeiten übertragen zu können, müsste sie eine eigene Wohnung haben. Und da widerspricht sich schon alles. Um Großelternzeit zu bekommen, muss sie im Elternhaus wohnen. Aber um die Elternzeit zu übertragen, muss sie eine eigene Wohnung haben. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit sich selbst zu versichern, das kostet etwa 85 Euro im Monat. Da ich ja schon kein Einkommen habe, frage ich mich, wovon ich das bezahlen soll?
Bei der Elterngeldstelle haben wir übrigens angegeben, dass wir uns das Jahr teilen. Das Elterngeld geht aber immer an die Mutter (Eltern).
Ich muss noch erwähnen das wir ein abbezahltes Eigenheim besitzen. Nur so und weil man Mann ein gutes Einkommen hat, können wir uns diesen Luxus leisten. Das wäre uns wahrscheinlich nicht möglich, wenn wir zur Miete wohnen würden. Dafür bin ich wirklich sehr dankbar, denn ich liebe diese Zeit mit meinem Enkel sehr und wahrscheinlich hat man diese Chance nur einmal im Leben und das kann man mit Geld sowieso nicht bezahlen.
Was wünschen Sie sich von der Politik im Bezug auf die Großelternzeit?
Es wäre schön, wenn die Absicherung auch für Großeltern vom Staat finanziert werden würde. Wir unterstützen schließlich unser Kind, damit sie einen Abschluss bekommt und dann finanziell unabhängig ist.
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